Meine Meinung zu einem Beitrag von Der Spiegel online



Ana Rosa López Villegas

Ich habe mit großem Interesse und Sorgfalt den Artikel gelesen, den Herr Jens Glüsing unter dem Titel „Drohender Rechtsruck in Bolivien - Das Virus als Wahlkampfhelfer“ am 17.6.2020 geschrieben hat und nur zum informativen Zweck ins Spanische übersetzt und auf meinem Blog www.mivozmipalabra.blogspot.com veröffentlicht. Bevor ich dazu Stellung nehme, muss eine Korrektur vorgenommen werden. Die politische Gruppierung, die von Jeanine Añez vertreten wird, heißt nicht "Juntas", wie es in dem betreffenden Artikel steht, sondern "Juntos".

Obwohl ich die von Herrn Glüsing in seinem Beitrag genannten Kriterien respektiere, fühle ich mich als Bolivianerin enttäuscht und empört über die tendenziösen Argumente, die im Text zu erkennen sind. Glüsing weist eingangs darauf hin, dass Jeanine Añez "möchte sich so spät wie möglich wählen lassen, weil sie sich bessere Chancen ausrechnet, wenn sie noch ein paar Monate länger regieren darf". Ich stellen mir vor, dass es für eine solche Behauptung ein Interview gab, denn bei der täglichen und intensiven Beobachtung der Medien in Bolivien und in der Region, die ich durchführe, habe ich keine ähnliche Aussage aus dem Mund der Präsidentin gehört oder gelesen. Dass diese Spekulation auf ihrer Absicht beruht, die Wahlen wegen der Coronakrise in meinem Land zu verschieben, ist etwas ganz anderes und weit entfernt von dem, was wirkliche Nachrichtenberichterstattung bedeutet.

An anderer Stelle im Beitrag heißt es: "doch in Wirklichkeit hätten sie wohl gern noch mehr Zeit, um als treusorgende Mutter der Nation durchs Land zu reisen und so ihre Wahlchancen zu verbessern". Ich wünschte, nicht nur die Präsidentin, sondern auch die Bürger und Bürgerinnen Boliviens könnten durch das ganze Land reisen, aber zur Information von Herrn Glüsing ist dies wegen des Virus derzeit nicht möglich, und es wird höchstwahrscheinlich nicht vor Ende 2020 und darüber hinaus möglich sein. Die Abhaltung von Wahlen im September würde die Bevölkerung des ganzen Landes gefährden und hat weniger mit einer politischen Absicht der gegenwärtigen Übergangsregierung, in der Macht zu bleiben, zu tun.

Außerdem ist folgender Absatz klarzustellen: „Der Volkszorn explodierte, die Polizei rebellierte, die Streitkräfte drängten Morales zum Rücktritt. Er flüchtete zunächst ins Exil nach Mexiko, nach einigen Wochen zog er nach Argentinien weiter. Dort gewährte ihm Präsident Alberto Fernández Asyl, zudem ist Morales näher an seiner Heimat“. Der ehemalige Präsident Evo Morales hat Mexiko nicht freiwillig verlassen. Seine Anwesenheit in diesem Land wurde von der Regierung der Vereinigten Staaten stark in Frage gestellt, was ihn zwang, in Argentinien Zuflucht zu suchen, von wo aus er weiterhin kriegerische Botschaften über den Wiederaufbauprozess über Twitter schrieb und schreibt, der in Bolivien nach seinem Ausscheiden aus der Regierung zu Amokläufen, Plünderungen und Terrorakten durch seine eigenen Anhänger führte. Diese Informationen zirkulierten in allen Medien in Bolivien und der Welt und können jederzeit bestätigt werden. 

Herrn Glüsing schreibt auch: „es sieht immer mehr danach aus, als sei Morales einem Putsch zum Opfer gefallen, wie es sie in der bolivianischen Geschichte schon oft gab. Seine Anhänger zogen deshalb anfangs die Legitimität der Interimsregierung in Zweifel“. Das ist eine äußerst voreingenommene Aussage und verletzt die Sensibilität von Abertausenden von Bolivianern, die nicht nur die Ereignisse nach den Wahlen vom Oktober 2019 hautnah miterlebt haben, sondern auch im ganzen Land auf den Straßen gekämpft haben mit dem Ziel, unsere Demokratie wiederherzustellen. Es wäre ratsam, dass Herr Glüsing auch die Arbeit von Herrn Edgar Villegas über den Betrug der Partei von Evo Morales bei den Wahlen im Oktober letzten Jahres überprüft.

Die lange Phase der Stabilität, die Herr Glüsing Arce Catacora, dem ehemaligen Wirtschaftsminister und jetzigen Präsidentschaftskandidaten der MAS, zuschreibt, hat sich nun als eine der größten Lügen der Regierung von Evo Morales herausgestellt. Der sehr schlechte Zustand des öffentlichen Gesundheitssystems angesichts der globalen Pandemie ist ein klarer Beweis dafür, dass die Regierung Morales nie an der Gesundheit oder Bildung der Bolivianer interessiert war. Von welcher Stabilität können wir sprechen, wenn wir nicht über die minimalen und notwendigen Ressourcen verfügen, um für die Gesundheit unserer Bürger zu sorgen?

Noch eine voreilige Aussage: „Ähnlich wie im benachbarten Brasilien nährt sich auch Boliviens Rechte vom Hass auf alles vermeintlich Linke“. Und was sagt Herr Glüsing zum Hass der Linken auf alles was vermeintlich nicht Linke ist? Die MAS-Anhänger haben in den vergangenen Tagen fünf von der Telekommunikationsantennen in der Coca-Region Yapacaní zerstört. Der Grund? Einer von ihnen, weil sie glauben, sie seien an der Übertragung des Coronavirus schuld. Und ich könnte hier mit einer langen Liste von Fakten fortfahren, die Tag für Tag zeigen, dass Bolivien noch immer nicht frei von den dunklen Absichten von der MAS ist, politische Partei, die, um jeden Preis an die Macht zurückzukehren will. Ich bin keine Anhängerin oder Fan von Añez, ich erkenne nur an, dass sie eine sehr schwierige Aufgabe vor sich hat. Und was hat sich noch? Leider ein Umfeld von korrupten Menschen, die die schlimmste Geißel meines Landes und weitgehend das Erbe der MAS sind.

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