Oruro und der höchstgelegene Karneval der Welt



14 Jahre lang habe ich als Tänzerin an dem Karneval von Oruro, meiner Heimatstadt, teilgenommen. 14 Jahre sind aber nichts in Vergleich zu den 30 oder 40 Jahre die viele Generationen aus Oruro tanzen. Jedes Jahr bereiten sich mit Hingabe Enkelkinder, Eltern und Großeltern für den grandiosen Karnevalsumzug von der sogenannten Folklorehauptstadt Boliviens vor, es ist eine Tradition. Und die Stadt bereitet sich für eine Metamorphose vor, denn der Karneval verwandelt ein kleiner und normalerweise ruhiger Ort in einer geräuschvollen und fröhlichen Straßenbühne.

Weltkulturerbe

Der Karneval von Oruro wurde als Immaterielles Weltkulturerbe im Jahre 2001 von UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) erklärt. Darauf sind die Orureños besonders stolz und verteidigen ihre Karnevalsfeier und ihre Bräuche nicht nur in Bolivien, sondern auch in der ganzen Welt. Ein Beispiel davon ist der Karneval der Kulturen in Berlin an dem viele emigrierten Bolivianer jedes Jahr teilnehmen und zeigen traditionelle Tänze Boliviens. 2014 wurde in Berlin der Tanz Tinku bekannt, „eine rituelle Zeremonie aus der vorspanischen Zeit, die zu einer Konfrontation zwischen verschiedenen Gemeinden kommt. Der Kampf bestimmt, welche Gemeinde das Sagen im nächsten Jahr haben wird. Das dabei oftmals vergossene Blut ist nach der andinen Weltanschauung von elementarer symbolischer Bedeutung. Es gilt als Opfergabe für die Mutter Erde und als Bitte um Fruchtbarkeit für eine ertragreiche Ernte“.[1]  

Die kleine Stadt Oruro war zur Zeit der spanischen Kolonie und in den ersten 100 Jahren der Republik eine wohlsituierte Bergbaustadt deren Wirtschaftslage den großen Städten der Welt zu vergleichen war. Oruro befindet sich über mehr als 3,7 Tausend Meter über dem Meerspiegel und aus diesem Grund ist ihrer Karneval auch als die höchstgelegene Karnevalsfeier der Welt bekannt. Die Stadt liegt ungefähr „drei Busstunden südlich von La Paz, und ist mit etwa 265 Tausend Einwohnern (Volkszählung 2012) die fünftgrößte Stadt Boliviens“[2].

Dieses Fest ist eines der wunderschönsten und prächtigsten kulturellen Ausdrücke, die es gibt. Mehr als 100 Tausend Touristen aller Welt, die von der Berühmtheit des Karnevals von Oruro angelockt werden, besuchen jedes Jahr die Stadt. Sie haben dort die Möglichkeit, um ca. 20 Tausend Tänzer und Tänzerinnen, die auf den Straßen bunte Trachten und beeindruckende Masken tragen, zu bewundern.

Der Ursprung

Der Karneval von Oruro ist eine heidnische-religiöse Feier, die im Laufe ihrer Geschichte ihren kulturellen Wurzeln behalten hat.

Es gibt unterschiedlichen Hypothesen, Mythos und Legenden über den Ursprung der Karneval von Oruro, der ungefähr im Jahre 1783 begann. Eine dieser Legenden geht auf die Geschichte eines Räubers names „Chiru Chiru“ zurück, der in einem verlassenen Stollen des Berges Pie de Gallo in Oruro lebte und „bei einem seiner nächtlichen Streifzüge von einem Arbeiter tödlich verletzt worden war. In seiner Sterbestunde wurde der Räuber von einer wohltätigen Jungfrau des Ortes zu seiner Höhle geführt. Am folgenden Tag war die Überraschung der Bergarbeiter der Umgebung groß, als sie die Leiche des Räubers fanden und bei dieser das wundervolle Bild der Jungfrau María, Virgen de la Candelaria oder Virgen del Socavón, die am Kopfende des armseligen Betts des Räubers wachte. [3].
Einige Zeit später erinnerten sich die Bergleute daran, dass der Stollen in dem Berg Pie de Gallo den Namen "Stollen der Jungfrau" (Socavón de la Virgen) trug. In den darauf folgenden Jahren sollte das Fest der Virgen de la Candelaria, deren Jahrestag der 2. Februar ist, mit großem Pomp gefeiert werden. Um die Virgen und Patronin der Bergleute zu ehren, verkleideten die Bergarbeiter sich als Teufel, der Schützer der Bergabeiter.
Zurzeit sind ungefähr 60 folkloristische Tanzgruppen, die zum Ehre der Jungfrau Maria del Socavón tanzen.

Wann und wie fängt der Karneval an?

Der Karneval fängt am ersten Sonntag von November mit der ersten Tanzprobe oder Convite auf Spanisch an, ungefähr drei Monaten vor dem großen Umzug oder Wallfahrt zum Ehren der Jungfrau del Socavón. Zwischen November und Februar kümmern sich die Tanzgruppen um ihre Kostüme und Choreographien. Mehr als 20 Tausend Tänzer und Tänzerinnen, vielen von denen noch Anfänger sind, nehmen an alle Vorbereitungsaktivitäten für den Karneval teil.

In dieser Zeit kann man auf den Straßen Oruros mehrere Tanzproben von den Tanzgruppen anschauen. Die Musik und unterschiedliche Rhythmen erfreuen schon die Fußgänger. Aber nicht nur die Tänzer und Tänzerinnen sind in Bewegung, sondern auch die hunderten von  Handwerker und Handwerkerinnen, die jedes Jahr das Publikum mit ihren originellen und wunderschönen Masken und Stickarbeit überraschen. Diese Handwerker arbeiten Tag und Nacht, um die Kostüme für mehr als 20 Tausend Tänzer und Tänzerinnen fertig zu machen.
Morenada, Diablada, Caporales, Llamerada, Kullawada, Tobas, Negritos de la Saya, Inkas, Suri Sicuris, Antawaras, Pujllay, Tinkus sind u.a. einigen von den Tänzen, die an der Wallfahrt oder Umzug teilnehmen. Jeder Tanz, jedes Kostüm, jede Choreographie und jede Musik hat eine ursprüngliche und kulturelle Bedeutung die dieser Karneval zum Weltkulturerbe gemacht haben.

Diese große Wallfahrt fängt sehr früh am Samstag und dauert bis die ersten Stunden vom kommenden Tag, Sonntag. Mit den schön bestickten Trachten, Kostüme und Masken tanzen die Tanzgruppen auf den Straßen, wo die mehr als 100 Tausend Touristen warten. Die Tanzstrecke hat mindestens 12 km und dauerte ungefähr 8 oder 9 Stunden.
Nach mehreren Tanzstunden, kommen die Tänzer und Tänzerinnen in die Kirche der Jungfrau María del Socavón, wo die große Wallfahr zum Ende geht. Alle Tänzer und Tänzerinnen sind da erschöpft, zufrieden und dankbar, weil sie ihre Wallfahrt zum Ende bringen konnten. Viele von den Tänzer und Tänzerinnen, die zum ersten Mal getanzt haben, versprechen der Jungfrau, drei Jahre hintereinander zu tanzen. Ich habe jedes Jahr vor der Jungfrau María del Socavón nur geweint, das Gefühl, das man da hat, wenn man in die Kirche reinkommt, ist einfach unbeschreiblich.

So feiert man den höchstgelegenen Karneval der Welt, es lohnt sich die kleine Stadt Oruro während dieser Metamorphose zu besuchen.

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