Bolivien gewinnt den Wettbewerb Praxisprojekt 2016 vom Alumniportal Deutschland


Nach sechs Wochen harter Teamarbeit an unserem “digital storytelling”, bekamen wir endlich am 5. Dezember 2016 die gute Nachricht: das bolivianische Team hatte den vom Alumniportal Deutschland (https://www.alumniportal-deutschland.org/) organisierten Wettbewerb Praxisprojekt 2016 „Ortswechsel – Neue Wege gehen“ gewonnen.

Lorena Gumiel, Camilo Cárdenas y Ana Rosa López sind die Mitglieder des bolivianischen Teams, das nicht nur Bolivien, sondern auch Lateinamerika in diesem Wettbewerb repräsentierte. Zusammen mit der Protagonistin der digitalen Story, der Mexikanerin Victa Wewerinke, wurde die preisgekrönte Geschichte mit Fotos und Videos auf der Webseite des Alumniportal Deutschland veröffentlicht:
Den kompletten Text kann man auch hier weiterlesen.


Nirgendwo hinzugehören
Eine Multimedia-Geschichte von Lorena Gumiel, Victa Wewerinke, Camilo Cárdenas und Ana Rosa López Villegas
Als sie nach Hause zurückkam, fühlte sie sich alleine, unverstanden, nicht daheim und ihr deutscher Mann war «mexikanischer» als sie. Victa Wewerinke (31) ist nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2015 nach Mexiko zurückgekehrt und genießt noch jeden Tag ihren interkulturellen Salat.
Warum bist du nach Deutschland gegangen und was hast du dort gemacht?
Victa Wewerinke: Weil mein deutscher Freund 2006 von Mexiko nach Deutschland zurückgegangen ist. Dort habe ich im Mai 2007 ihn geheiratet, dann einen Deutschkurs belegt, an einem Integrationskurs teilgenommen und sowohl meinen Studiengang International Business Management als auch mein Masterprogramm in European Studies abgeschlossen. Danach habe ich noch vier Jahre lang in der deutschen Firma Continental gearbeitet. Aber ich hatte immer die Idee, nach Hause zurückzukommen, ich vermisste mein Land sehr und nachdem ich alles, was ich in Deutschland vorhatte, erreicht hatte, war es mir langweilig. Ich fragte mich dann, was kommt jetzt? Und so ist auch die Entscheidung entstanden.
"Ohne Koriander und Petersilie gehen wir gar nicht!"
Welches war die wichtigste Herausforderung bei der Rückkehr in dein Heimatland?
VW: Außer Visum und Arbeitserlaubnis für meinen Mann in Mexiko, war unsere wichtigste Herausforderung, unsere Meerschweinchen Koriander und Petersilie nach Mexiko mitzunehmen. Solche Tiere sind keine gewöhnlichen Haustiere in meinem Heimatland und deshalb mussten viele Dokumente wie Impfpässe und Erlaubnisse jeder Art in Deutschland und in Mexiko organisiert werden. Bevor wir Deutschland verließen, mussten wir nicht nur unsere Wohnung, unsere Arbeitsplätze und die Krankenversicherung kündigen, sondern auch alle Verträge: von Handy, Fernsehen und Internet. So sind wir mit zehn 32-Kilo schweren Umzugskisten und zwei Meerschweinchen nach Mexiko aufgebrochen.
Erinnerst du dich an die erste Zeit in deinem Heimatland nach deiner Rückkehr von Deutschland? Was hast du anders vorgefunden?
VW: Meine Gegend, meine Stadt, meine Familie waren anders, aber vor allem hatte ich mich auch geändert. Dinge die mich früher nicht gestört hatten, störten mich, als ich nach Hause zurückkam. Einmal ging ich spazieren und einige Männer belästigten mich auf der Straße. Als ich mich bei einem Polizisten beschwerte, sagte er zu mir: Was wollen Sie denn, wenn Sie hier in einer kurzen Hose herumlaufen? Alles was für mich in Deutschland selbstverständlich war, war nicht mehr so in Mexiko. Ich fühlte, dass ich nicht mehr zu meinem Zuhause passte. So bereute ich am Anfang meine Entscheidung, nach Hause zurückgekehrt zu sein. Ich fühlte, dass ich nirgends hingehörte. Wenn du dich als Ausländer in Deutschland nicht anpassen kannst, denken die Deutschen, dass es so ist, weil du Ausländer bist. Aber wenn man nach Hause zurückkommt, erwarten die Menschen von dir, dass du dich einfach so anpasst, weil du in deinem Heimatland bist. Es gibt wenig Verständnis von der Seite der Familie und den Kollegen. Sie verstehen nicht, warum du so anders geworden bist. Und du verstehst auch nicht, wieso deine eigene alte Welt jetzt nicht mehr deine ist. Da mein Mann drei Monate vor mir nach Mexiko gegangen war, hatte er sich in dieser Zeit schon gut anpassen können, indem er sein Leben, seine Freunde, seine Arbeit und seine Freizeit organisiert hatte. Als ich dazu kam, war ich mehr Deutsche als Mexikanerin und ich fühlte mich alleine, unverstanden und nicht daheim. Mein Mann hatte immer Pläne für gemeinsame Wochenenden von uns mit Freunden, ich aber wollte nur ruhig zu Hause bleiben, so wie ich es aus Deutschland gewohnt war. Die Wiederanpassung in Mexiko war für mich genauso schwierig wie meine Anpassung in Deutschland.
"Deutschland ist hart"
Wie hast du deinen Aufenthalt in Deutschland ausgenutzt?
VW: Alles was ich heutzutage bin, verdanke ich erheblich meinem Aufenthalt in Deutschland. Am meisten habe ich vom Zwang zum Wettbewerb in Deutschland gelernt. Das Leben, das Wetter, die Menschen, die Ansprüche sind hart in Deutschland und immer muss man entscheiden: Stelle ich mich den Anforderungen oder nicht. Und genau das veränderte mich. So habe ich zum Beispiel nach zwei erfolglosen Versuchen eine wichtige mündliche Prüfung an der Uni bestanden. Vor der Prüfung konnte ich kaum schlafen und ich weinte viel, weil ich Angst vor dem Scheitern hatte. Aber ich schaffte es und dadurch habe ich auch gelernt, konkurrenzfähig zu sein.
Wenn du deinen Aufenthalt in Deutschland planen könntest und wieder nach Hause zurück kämst, was würdest du anders machen?
VW: Was würdest du anderen Rückkehrenden empfehlen? Ich würde vorher die deutsche Sprache lernen. Und wenn ich nochmal nach Hause zurückkäme, würde ich mein eigenes Unternehmen in Mexiko gründen und dementsprechend hätte ich meine Rückkehr auch finanziell anders geplant. Ich wollte immer mein eigenes Geschäft haben und da ich jetzt sowohl von Mexiko als auch von Deutschland viel gelernt habe, denke ich, dass diese gute Kombination sehr vorteilhaft wäre. Ich würde mich gern mit Gärtnerei oder ökologischem Gemüseanbau beschäftigen. Ich würde empfehlen, sich von Stereotypen und Erwartungen aller Art fern zu halten und offen für Entdeckungen zu bleiben.
"Ausländer raus!"
Wie war dein Erlebnis in Bezug auf den Kulturschock in Deutschland?
VW: Als ich in Deutschland ankam, erlebte ich einen großen Kulturschock. Als ich meinen Freund dort wiedertraf, dachte ich, dass er ein ganz anderer Mensch geworden war und nicht der Mann, den ich in Mexiko kennengelernt hatte. Ich fand auch seine Familie nicht so warmherzig wie meine. Die kleine Stadt, in der wir am Anfang gewohnt haben, war auch viel kleiner als meine große Heimatstadt Puebla in Mexiko. Für mich war alles einfach Neuland und es wurde am Anfang noch schwieriger, weil mein Freund seinen eigenen Wiederanpassungsprozess durchmachte. Als ich mich letztendlich anpassen konnte, ging es mir besser in Deutschland. Nach den ersten zwei schwierigen Jahren, konnte ich alles machen, was ich vorhatte.
Was kannst du über Diskriminierung in Deutschland erzählen?
VW: Ich hatte leider hässliche Erfahrungen mit Diskriminierung in Deutschland. Einmal brüllte mich ein alter Mann an einer Haltestelle an: Ausländer raus! Ein anderes Mal beschwerte sich ein Dozent im Unterricht über das niedrige akademische Niveau lateinamerikanischer Studenten. Aber das Schwierigste für mich war zu ertragen, was die deutschen Ehepaare über Kinder mit Migrationshintergrund meinten. Sie sagten, dass solche Kinder weniger Chancen in der Schule hätten. Das ärgerte mich sehr, vor allem, weil ich dachte, dass Kinder mit interkulturellen Familien nicht nur zweisprachig aufwachsen, sondern auch von zwei Kulturen zu Hause lernen können. Aus diesem Grund bekamen wir keinen Nachwuchs in Deutschland, ich wollte nicht, dass meine Kinder meinetwegen unterschätzt werden, nur weil ich Mexikanerin bin. Aber zusammengefasst kann ich auch nicht klagen. Ich konnte in Deutschland die Sprache lernen, an der Uni studieren und einen guten Job finden. Obwohl es sehr schwierig war, war es auch sehr bereichernd. 

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(Artículo publicado en Monatsblatt, publicación del Centro Cultural Alemán / No. 1 - 2017)  

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